Die Anfänge: BERKOM – Berliner Kommunikationssystem
Berlin hat sich im Laufe der Jahre zu einem zentralen Akteur in der Telekommunikations- und Breitbandentwicklung in Europa entwickelt. Ein wichtiger Meilenstein in dieser Entwicklung war das BERKOM-Projekt (Berliner Kommunikationssystem). BERKOM war ein Entwicklungsprojekt unter Federführung der Deutschen Bundespost zur Entwicklung von Diensten und Anwendungen für geplante Breitbandnetze wie Breitband-ISDN, VBN, IBFN oder ATM. Gegründet wurde BERKOM am 1. Februar 1986 als Organisationseinheit der Detecon in Berlin und später in die DeTeBerkom GmbH überführt, ein Tochterunternehmen der Deutschen Telekom.
Unter der Leitung von Jürgen Kanzow bis zu seinem Tod im September 1997 entwickelte BERKOM eine Vielzahl fortschrittlicher Anwendungen, multimediale Endgeräte und Dienste. Diese umfassten Teledienste, Telemedizin, Videokonferenzen, Wissensmanagement und die Entwicklung von Übertragungsstandards. BERKOM betrieb in Berlin ein eigenes geschlossenes Breitband-Glasfasernetz zur Verbindung der verschiedenen Projektpartner. Einige der durchgeführten Projekte waren ihrer Zeit weit voraus. Ein bemerkenswertes Beispiel ist das 1993 von ART+COM im Auftrag von BERKOM entwickelte System TerraVision, ein Planetenbrowser, der in Echtzeit die Erde mittels Luftbildern, Satellitenaufnahmen und Wetterdaten darstellte und zur Stadtplanung Berlins genutzt wurde. Dieses System legte die Grundlage für die Technologie, die später von Google als Google Earth übernommen wurde.
Ausbau des Kabelnetzes und die Rolle der Deutschen Telekom AG
Die Deutsche Telekom AG spielte eine zentrale Rolle bei der Weiterentwicklung der Berliner Telekommunikationsinfrastruktur. Im Jahr 1999 beschloss sie, den ersten Teil des Breitbandkabelnetzes in Berlin für 680.000 Wohneinheiten auf 862 Megahertz auszubauen. Dieser Ausbau konzentrierte sich auf die dicht besiedelten Gebiete in der Mitte und im Osten Berlins und sollte bis Herbst 2000 abgeschlossen sein. Neben dem Ausbau des Downlink-Bereichs wurde auch ein breitbandiger Rückkanal eingerichtet, der ebenfalls 680.000 Haushalte erreichen konnte. Diese Maßnahmen schufen die Grundlage für vielfältige neue Übertragungsmöglichkeiten und interaktive Dienste wie Video-on-Demand, Homeshopping und Online-Banking.
Herausforderungen und Anpassungen
Die Entwicklung des Kabelnetzes zu einem Multimedianetz erforderte nicht nur technische Aufrüstungen, sondern auch strukturelle Änderungen. Traditionell war die Verkabelung der Haushalte in Deutschland getrennt von den Netzebenen, die durch die Deutsche Telekom AG betreut wurden. Diese Trennung führte zu verschiedenen Kooperationsmodellen zwischen der Wohnungswirtschaft und den Netzbetreibern. Ein zentraler Punkt war die Schaffung neuer Unternehmensstrukturen, die differenzierte Angebote vermarkten konnten. Der Ausbau der Kabelnetze in Berlin hat die bundesweite Entwicklung zum Ausbau und zur Nutzung der TV-Kabelnetze (HFC) erheblich stimuliert und beschleunigt.
Bedeutung für die Berliner Wohnungswirtschaft
Die Berliner Wohnungswirtschaft hatte eine strategische Bedeutung für den Ausbau des Kabelnetzes. Rund 43 % der Wohneinheiten waren entweder direkt über Netze der Wohnungsunternehmen angeschlossen oder unterlagen deren Einfluss durch Gestattungsverträge. Um das Breitbandkabelnetz optimal nutzen zu können, war ein grundlegender Umbau der vorhandenen Netze notwendig. Dies umfasste den Wechsel von Baumnetzen zu Netzen mit Sterntopologie und den Einsatz qualitativ hochwertiger Kabel. Die Kosten dafür wurden auf etwa 300 DM pro Wohneinheit geschätzt.
Ende 1998 kündigte die Deutsche Telekom AG an, ihre Breitbandkabel-Aktivitäten in eine eigene Tochtergesellschaft auszugliedern und in neuen Regionalgesellschaften aufzuteilen. Für Berlin und Brandenburg bedeutete dies die Gründung einer gemeinsamen Regionalgesellschaft. Dieser Schritt wurde begleitet von Verhandlungen mit potenziellen Investoren, um den schnellen Ausbau des Kabelnetzes und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region zu sichern.
Neue Telekommunikationstechniken im Jahr 2004
Im Jahr 2004 gewannen neue Telekommunikationstechniken an Bedeutung. Die Stadt verfügte über das größte und modernste Kommunikationsnetz in Deutschland und das umfangreichste Glasfasernetz in Europa. Der „Telekommunikationsatlas Berlin“ bot Investoren eine umfassende Übersicht über die Infrastruktur der Hauptstadt, einschließlich Glasfasernetze, DSL-Angebote, W-LAN-Dienste und Data-Center. Berlin war nicht nur ein wichtiger Standort für Telekommunikations- und Internetdienstleister, sondern auch für zahlreiche Forschungseinrichtungen.
Der Wettbewerb im Breitbandzugangsmarkt belebte sich erfreulich, und vielfältige Angebote förderten Innovationen und den Nutzen für die Kunden. Im Mobilfunk- und Festnetzbereich kam ein intermodaler Wettbewerb in Gang. Das Jahr 2004 zerstreute die Befürchtungen einer „Remonopolisierung“ im TK-Markt, die durch das Platzen der Börsenblase im Jahr 2000 aufgekommen waren.
Im Mobilfunk waren die Grenzen des Wachstums noch lange nicht erreicht. Die UMTS-Dienste hatten einen erfolgreichen Marktstart mit einer bis zu 70-prozentigen Netzabdeckung und attraktiven Angeboten, die Festnetzkunden abwerben wollten. Prognosen über weitere Konsolidierungen im Mobilfunksektor bewahrheiteten sich nicht, und kleine Anbieter erreichten mit innovativen Preismodellen und neuen Vertriebswegen ein überdurchschnittliches Wachstum, was den Wettbewerb entscheidend belebte.
Die schwierige Ausgangslage für Wettbewerbsunternehmen im Festnetz erhielt durch das starke Wachstum des Breitbandmarkts neue Impulse. Wettbewerbsunternehmen steigerten ihre Marktanteile im Breitbandbereich erheblich. Von fast sieben Millionen Breitbandanschlüssen in Deutschland wurden Ende 2004 20 Prozent von Wettbewerbsunternehmen betrieben – eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr. Im Neukundengeschäft erreichten diese Unternehmen einen Marktanteil von 33 Prozent.
Diese positive Entwicklung zeigte, dass der Wettbewerb einen entscheidenden Beitrag bei der Verbreitung der Breitbandtechnologie leistete und eine dauerhafte Monopolisierung durch die Deutsche Telekom AG verhindert wurde. Deutschland besaß europaweit einen entscheidenden Vorsprung bei wettbewerbsbasierten Breitbandangeboten, und die Unabhängigkeit der Wettbewerber von der Infrastruktur der Deutschen Telekom AG wuchs stetig.
FTTH-Strategie 2008
Im Jahr 2008 entwickelte die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen eine FTTH-Strategie (Fiber to the Home), um den Glasfaserausbau in Berlin voranzutreiben. Das Ziel war es, eine zukunftssichere Breitbandversorgung zu gewährleisten, die mit den steigenden Bandbreitenanforderungen Schritt halten konnte. Ein PPP-Projekt (Public-Private-Partnership) wurde vorgeschlagen, um den Ausbau zu finanzieren und umzusetzen. Dieser Masterplan sollte Berlin als Wirtschaftsstandort stärken und die Digitalisierung vorantreiben. In der Retrospektive waren diese Überlegungen und dieser Masterplan verfrüht. Die Entwicklung zum Glasfaserausbau nahm in Berlin tatsächlich erst ab 2017 Fahrt auf.
Forschungseinrichtungen: Heinrich-Hertz-Institut (HHI) und T-Labs
Ein wesentlicher Beitrag zur Forschung und Entwicklung im Bereich Telekommunikation in Berlin kommt vom Heinrich-Hertz-Institut (HHI) und den T-Labs (Telekom Innovation Laboratories). Das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (HHI), gegründet 1928, ist Teil der Fraunhofer-Gesellschaft und eine führende Forschungseinrichtung für angewandte Forschung in Europa. Benannt nach dem Physiker Heinrich Hertz, fokussiert sich das HHI auf photonische Komponenten, drahtlose Kommunikation und Videokodierung sowie -übertragung. Es arbeitet eng mit Industrie, Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen zusammen und fördert Innovationen in Bereichen wie Telekommunikation, Medien und Sicherheit.
Die T-Labs, gegründet 2004, sind die zentrale Forschungseinrichtung der Deutschen Telekom AG und eng mit der Technischen Universität Berlin verbunden. Sie entwickeln und optimieren Netzwerkinfrastrukturen, nutzen künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen zur Verbesserung von Netzwerken und Dienstleistungen und forschen zu Sicherheit und Datenschutz. Die T-Labs sind bekannt für ihre Innovationskraft und haben zahlreiche neue Technologien und Dienstleistungen entwickelt, die weltweit eingesetzt werden. Beide Einrichtungen tragen wesentlich zur technologischen Entwicklung und Innovation in Deutschland und weltweit bei und sind wichtige Akteure im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie.
Gigabit-Strategie 2021
Mit der Einführung der Gigabit-Strategie im Jahr 2021 verfolgt Berlin ambitionierte Ziele für die Breitband- und Mobilfunkversorgung. Bis spätestens 2028 soll Berlin über ein flächendeckendes und leistungsfähiges Glasfasernetz verfügen. Diese Strategie umfasst konkrete Investitionszusagen, die Erleichterung von Genehmigungsprozessen und die Unterstützung des Mobilfunkausbaus. Berlin möchte sich als Innovationsstandort Nummer 1 in Europa etablieren und dafür ist eine zukunftssichere digitale Infrastruktur unerlässlich.
Umsetzungsrahmen für eine Gigabit-Hauptstadt Berlin
Die Gigabit-Strategie zielt darauf ab, eine umfassende Gigabit- bzw. Glasfaserversorgung zu schaffen und alle betroffenen Akteure einzubeziehen. Das Land Berlin bringt hierfür Beiträge im Hinblick auf Genehmigungsverfahren, Kommunikation und Koordination, die Bereitstellung von Infrastrukturen und – soweit notwendig – finanzielle Breitbandförderung ein. Die Berliner Bezirksämter spielen eine wichtige Rolle bei der Genehmigung, Identifizierung und Nutzung von Synergien beim Ausbau sowie als mögliche Akteure für Fördermittel im Rahmen der geplanten Breitbandförderung des Bundes. Die Telekommunikationsunternehmen tragen den primär eigenwirtschaftlichen Ausbau über transparente Investitionen und Ausbauvorhaben für Berlin.
Ziele der Gigabit-Strategie des Landes Berlin
- Kurzfristig: Gewerblichen Nutzer:innen sowie sozioökonomischen Schwerpunkten steht bedarfsorientiert eine kostengünstige Glasfaser-Anbindung zur Verfügung.
- Mittelfristig: Bis spätestens 2025 verfügt Berlin über eine flächendeckende Gigabit-Versorgung. Hierfür kommen sowohl FTTB/H- als auch HFC-Netze in Frage.
- Langfristig: Bis spätestens 2028 verfügt Berlin über eine flächendeckende Glasfaser-Versorgung auf Basis von FTTB/H.
- Mobilfunk: Bis spätestens 2025 verfügt Berlin über eine vollständige 5G-Versorgung aller Haushalte, Unternehmensstandorte und oberirdischen Verkehrswege.
Ein hochrangig besetzter Lenkungskreis aus Vertreter:innen Berlins und der TK-Wirtschaft trifft sich zweimal jährlich, um wesentliche Eckpfeiler der Strategieumsetzung und des Monitorings zu diskutieren. Ergänzend trifft sich ein Arbeitskreis der Arbeitsebene mehrmals jährlich, um den fachlichen Austausch zu fördern und die Zusammenarbeit zu organisieren.
Handlungsfelder der Gigabit-Strategie
- Investitionszusagen der TKU erreichen: Der flächendeckende Ausbau von Gigabit-Netzen soll vorrangig marktgetrieben geschehen.
- Erleichterung des Genehmigungshandelns: Die digitale Antragsstellung und verkehrsrechtliche Anordnung sollen effizient und transparent bearbeitet werden.
- Rahmenbedingungen optimieren: Erweiterung des Breitband-Bedarfsportals und Unterstützung alternativer Verlegetechniken.
- Mobilfunkausbau unterstützen: Bereitstellung von Immobilien und Trägerstrukturen, Akzeptanzerhöhung und Aufklärung.
- Fördermaßnahmen flankieren: Finanzielle Unterstützung in unwirtschaftlichen Gebieten und für gewerbliche Einzelanschlüsse.
- Synergetische Nutzung von Infrastrukturen: Koordination von Baumaßnahmen und Mitverlegung von Glasfaserkabeln.
Open Access Allianz 2024
Im Mai 2024 wurde die Open Access Allianz gegründet, bestehend aus der Deutschen GigaNetz, DNS:NET, Eurofiber Netz und Infrafibre Germany. Diese Allianz setzt auf die Vermarktung von Internet- und Telefondiensten mit Gigabit-Geschwindigkeit im Glasfasernetz der jeweiligen Partner. Das Open Access Modell fördert den freien gegenseitigen Zugang zu Glasfasernetzen und erhöht die Wirtschaftlichkeit der Investitionen, indem es die Auslastung der Netze verbessert und den Übergang von Kupfer zu Glasfaser erleichtert.
Gigabit-Förderung 2024
Seit Ende April 2024 können Kreise und Kommunen wieder an der Bundesförderung für den Breitbandausbau in Deutschland teilnehmen. Berlin hat das größte Markterkundungsverfahren gestartet, um die flächendeckende Versorgung mit Glasfaser bis 2028 sicherzustellen. Diese Maßnahme ist Teil der Gigabit-Strategie, die darauf abzielt, Berlin zum führenden Innovationsstandort in Europa zu machen. Falls notwendig, sollen durch die Gigabit-Förderung und das Markterkundungsverfahren die letzten Glasfaserversorgungslücken in Berlin geschlossen werden.
Fazit
Der Ausbau des Berliner Kabelnetzes zu einem modernen Multimedianetz war ein entscheidender Schritt in der Entwicklung der Telekommunikations- und Breitbandinfrastruktur in Berlin. Durch die kontinuierliche Anpassung an neue technische Anforderungen und die enge Zusammenarbeit zwischen der Wohnungswirtschaft und den Netzbetreibern konnte Berlin eine Vorreiterrolle in der Digitalisierung einnehmen. Die heutigen Initiativen und Strategien bauen auf diesen historischen Erfolgen auf und zielen darauf ab, Berlin auch in Zukunft an der Spitze der technologischen Entwicklung zu halten.